Konflikte wirksam klären
Wenn es laut wird
Ich hasse es, wenn es laut wird – obwohl ich es selbst durchaus schon mal werde. Ein Gegenüber, das schreit, auf den Tisch haut und sichtlich unbeherrscht agiert, macht mir Angst, wenn es schlecht läuft, weckt meine Wut, wenn es gut läuft. Im beruflichen Kontext kommt dies nicht häufig vor, aber wenn würde ich – z.B. als Führungskraft – beschwichtigen, zur Sachlichkeit mahnen, die starken Gefühle der Streithähne zu unterbinden versuchen.
Klingt nicht gut? Recht habt ihr. Das alles hat etwas mit meinen eigenen Konfliktmustern zu tun, sprich damit, wie ich gelernt habe mit Konflikten umzugehen. Im Rahmen meiner Coaching-Fortbildungen ist der Ansatz der Mediation deshalb für mich einer der wertvollsten. Vermutlich ist er das nicht nur für mich, sondern alle, insbesondere Führungskräfte, denen die Aufgabe zukommt, Streithähne im Team wieder in einen normalen Kontakt und Austausch zu bringen. Deshalb dieser röntgenBLICK, der von meinen Erkenntnissen aus der Mediation und gewaltfreien Kommunikation erzählt.
Wenn es heiß hergeht in einer Diskussion, die Situation eskaliert, dann… ist das Teil der Lösung! Ein „Goldbarren in hässlicher Verpackung“, wie Monika Oboth und Al Weckert in ihrem Buch Mediation für Dummies schreiben. Denn: das, was sich da lautstarkt bemerkbar macht und auf den Tisch kommen muss, sind unerfüllte Bedürfnisse. Und Letztere (bzw. der Erfüllung) sind der Schlüssel zum Erfolg, zum Win-Win, zur Konfliktlösung.
Praktischer Weise haben wir Menschen im wesentlichen alle die selben (Grund)Bedürfnisse – z.B.
- Autonomie (Freiheit, Selbstbestimmung)
- Sicherheit (Klarheit, Übersicht, Schutz)
- Kontakt (Nähe, Wertschätzung, Zugehörigkeit, Unterstützung)
- Integrität/Stimmigkeit mit sich selbst (Authentizität, Werte)
- Einfühlung (verstanden werden, Gerechtigkeit)
- Entspannung (Erholung, Leichtigkeit)
- Sinn/Bedeutung (Wachstum/Entwicklung, Anerkennung, Rückmeldung)
Deren Erfüllung zu überprüfen – bei sich und dem anderen – ist die Herausforderung im Konfliktfall.
ERKENNTNIS #2: Von Gefühlen zu reden ist clever und nicht „soft“
Diese „Gefühlsduselei“ mag ja manchen etwas skeptisch machen. Schließlich sind wir das nicht wirklich gewohnt, darüber zu reden. Zumindest nicht im Business Kontext. Und fragt man die Damenwelt, ist Über-Gefühle-Reden so gar nicht Männersache.
Aber: Gefühle weisen als erstes auf unerfüllte Bedürfnisse hin. Warum? Weil wir die Welt erst fühlen und dann intellektuell verarbeiten können. Das hat mit dem emotional-somatischen Erfahrungsgedächtnis zu tun. Das ist so schnell, da kommt keiner mit Worten hinterher. Und diese Worte fallen nicht nur wenn sehr später, sondern manchmal gar nicht, weil wir uns scheuen über unsere Bedürfnisse zu sprechen. Beziehungsweise sie sind uns manchmal gar nicht klar.
Ergo: ran an die Gefühle. In Konfliktfällen kann man – mit einer Prise emotionaler Intelligenz – z.B. diese erkennen:
- Ängstlich
- Frustriert
- Resigniert
- Verzweifelt
- Erschöpft
- Angespannt
- Wütend
- Unzufrieden
- …
Je nach Konfliktmuster (vgl. mein altes oben) besteht vielleicht die Tendenz, Konflikte zu meiden oder gar zu leugnen. Das ist ein Schutz, der aber leider nicht wirklich weiterhilft. Konflikte sollte man – insbesondere als Führungskraft – ansprechen. Dafür braucht es den richtigen Rahmen, keine Frage, und bei größeren Auseinandersetzungen auch die Basiskompetenzen eines Mediators. So einiges kann man aber auch ohne Profi zu sein tun. Zum Beispiel im Rahmen eines Einzelgesprächs mit seinem Mitarbeiter:
- Durch Fragen führen & aktiv zuhören:
- Was ist passiert? – Welche Fakten & Beobachtungen (nicht Bewertungen) weisen auf das Problem/den Konflikt hin?
- Wie ging es dir dabei? – Wie fühlst du dich in den genannten Situationen (ängstlich, frustriert…)?
- Was ist dir wichtig, was brauchst du? – Welche Bedürfnisse könnten unerfüllt sein (Selbstbestimmung, Klarheit…)?
- Was wünschst du dir von ihr/ihm? Welche Bitten (nicht Forderungen) hast du?
- Perspektivwechsel anregen: wie könnte das Gegenüber auf diese Fragen antworten?
- Win-win kreieren: welche Ideen zur Lösung gibt es, die beiden gefallen könnten, den Bedürfnissen beider gerecht(er) werden?
Diese Fragen aus der Schule der „Gewaltfreien Kommunikation“ nach Rosenberg können – wenn sie mit Wertschätzung und Empathie angebracht werden – bei den Streithähnen dazu führen, dass
- der durch starke negative Gefühle beeinflusste Blick wieder weiter wird
- Misstrauen überwunden wird, weil das Gegenüber besser verstanden wird
- die eigene Empfindlichkeit nachlässt, weil man seine Bedürfnisse und lösende Bitten klarer sieht
- das verlorene Einfühlvermögen in das Gegenüber wiederkehrt
ERKENNTNIS #4: es gibt einen „bombenfesten“, standardisierten Mediationsprozess
Ich mag Prozesse in klaren Schritten. Bei der Mediation sind es 5 Schritte (oder Phasen). Sie geben einem eine Struktur, denn gerade in Konfliktsituationen geht es gerne chaotisch zu. Oft geht man ohne Ergebnis auseinander, nur mit dem Gefühl sich „ausgekotzt“ zu haben. Das hilft zwar, ist aber keine Lösung. Mediatoren gehen stets wie folgt vor:
- Sicheren Rahmen schaffen
- Konflikt darstellen (Themen, Fakten, Beobachtungen)
- Konflikt erhellen (Motive, Interessen, Bedürfnisse…)
- Lösungen suchen (Brainstorming)
- Konkrete Vereinbarungen treffen (schriftlich formuliert)
Natürlich bedarf es dafür einiger Kompetenzen. Als Mediator oder in weniger dramatischen Situationen moderierende Führungskraft benötige ich eine starke Präsenz und Kontakt zu den Streithähnen. Ich muss den Prozess genau kennen und auf ihn vertrauen, auch wenn es schwierig wird. Ich benötige Empathie und eine wertschätzende Grundhaltung den Menschen gegenüber. Und muss mir meiner eigenen Konfliktmuster bewusst sein, denn ohne ein hohes Maß an Selbstreflexion wird mir eine neutrale, ruhige Moderation des Prozesses schwer fallen.
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Als ehemalige Führungskraft der Deutschen Telekom und Strategieberaterin bei Roland Berger designt & moderiert sie erfolgreich kundenindividuelle Team-Workshops und coacht Executives, die Veränderungsprozesse leiten oder selbst durchlaufen.